Besser machen statt schöner reden

Grüne Kreistagsfraktion trifft sich online: Keine Forderung nach Impfpflicht

Rottal-Inn. Noch sind persönliche Treffen nicht verboten, sie sollten aber in den kommenden Wochen stark eingeschränkt werden. Deshalb tauschten sich die Mitglieder der Kreistagsfraktion der Grünen laut Pressemitteilung  mit Corona-Fachmann Hansi Irl online aus, um darüber zu diskutieren, was jetzt dringend notwendig ist im Landkreis. «Die Fraktionen und die Stellvertreter des Landrats haben aus der Zeitung erfahren, dass der Katastrophenfall ausgerufen werden soll. Es ist eigentlich schon langweilig, sich über die Kommunikation des Landrats aufzuregen, deshalb möchte ich über die gravierenden Fehler in der Coronapolitik der vergangenen Wochen reden», stellte Fraktionsvorsitzender Günther Reiser fest und fügte trocken hinzu: «Was passiert eigentlich, wenn der Landrat schwer krank ist, werden dann die Pressesprecher seine Geschäfte übernehmen? Die wissen mehr als alle gewählten Volksvertreter zusammen.»

Der Eggenfeldener Hans Irl versucht schon seit Monaten, mit eindringlichen Emails auf die Versäumnisse im Landratsamt hinzuweisen. Bisher hat er keine Antwort erhalten. «Ich kenne im Landkreis niemanden, der sich dermaßen in das Thema hineingearbeitet hat. Hansi hat sich mit seinen Prognosen nie geirrt. Dass das Impfzentrum heruntergefahren wurde und die Kontaktermittlung so schlecht besetzt ist, sind gravierende Fehler. Die neue Welle trifft uns schlecht vorbereitet, obwohl die Wissenschaft sie prognostiziert hat.», sagte Mia Goller

Irl stellte seine Einschätzung dar: «Meinem Eindruck nach gehören der Ausbau der Kontaktnachverfolgung und des Impfzentrums zu den wichtigsten Schritten. Laut RKI bestehen die drei Säulen der Strategie zur Bekämpfung von COVID-19 weiterhin in der Eindämmung der Ausbreitung der Erkrankung (Containment, dazu gehört auch die Kontaktnachverfolgung), Protektion (Schutz vulnerabler Gruppen, u.a. durch Impfung) und Milderung der Erkrankungsfolgen. Bei der Bewältigung der Pandemie wirken die verschiedenen Maßnahmen der Strategie zusammen und verstärken sich gegenseitig. Die massiven Anstrengungen auf allen Ebenen des Öffentlichen Gesundheitsdienstes (ÖGD) sind weiterhin nötig, um Infektionen in Deutschland so früh wie möglich zu erkennen und Ausbrüche und Infektionsketten einzudämmen. So wie der Landkreis aktuell durch die vielen Versäumnisse dasteht, werden wir wohl mit drastischen Maßnahmen rechnen müssen. Nach den neuesten Erkenntnissen aus dem RKI bin ich leider der Überzeugung, dass für unseren Landkreis nichts anderes mehr als ein kurzer und strenger Shutdown in Frage kommen kann.
In meinen letzten Emails an den Landrat habe ich versucht, fundiert aufzuzeigen, dass mit der unüberlegten Reduzierung der Kapazitäten am Impfzentrum und der Unterdimensionierung der Kontaktnachverfolgung zwei wesentliche Bausteine in der Pandemiebekämpfung kaputt gemacht wurden. Zwei von drei Säulen! Wir können froh sein, dass der Landrat nicht auch noch das Krankenhauspersonal ausgestellt und Krankenbetten verkauft hat.»

Maria Watzl hält schnelle Testmöglichkeiten und ausreichend Impfstoff unabdingbar. «Ich möchte die Tausenden Ungeimpften im Landkreis dringend bitten, noch einmal in sich zu gehen. Als Bürger hat man nicht nur Rechte, sondern auch Pflichten. Nämlich die Pflicht sich verantwortungsbewusst und solidarisch gegenüber den Mitmenschen zu verhalten. Von den Kindern und Jugendlichen wurde das ja auch verlangt.»

Eva Maria Popp ist regelrecht empört von den Versäumnissen der vergangenen Monate. «Man hätte aus strategischen Gründen die Kapazität des Impfzentrums erhalten müssen und das Potenzial für eine Erhöhung vorplanen.
Von einer Behörde verlange ich, dass sie vorausschauend handelt. Eine Behörde hätte wissen müssen, dass die dritte Impfung ansteht. Das war einfach planbar. Angucken, wie viele Leute vor sechs Monaten geimpft wurden und einfach vorausrechnen. Dann hätten wir JETZT ohne Probleme die Kapazität für die dritte Impfung.
Durch 2 G und 3 G plus war es zu erwarten, dass auch die Bereitschaft für die Erstimpfungen steigen. Mit stundenlanger Wartezeit vor dem Impfzentrum kommen wir nicht weiter.»

Die Reaktion auf die aktuelle Lage:
«Ab Donnerstag, 11.11.2021 hat das Impfzentrum neue Öffnungs- und Betriebszeiten: Geimpft wird Donnerstag und Freitag von 10:00 Uhr bis 18:00 Uhr!
Eine Terminvereinbarung ist dringend empfohlen, da nur begrenzte Kapazitäten vorhanden sind!»
So steht es auf der Homepage des Landratsamtes zu lesen.

«Das ist ein großes Problem», stellte auch Mia Goller fest. Sie hat auf den sozialen Medien dringend dazu aufgerufen, sich impfen zu lassen. «Wenn ich dann aber zu hören bekomme, dass aktuell die Wartezeit auf einen Termin im Impfzentrum 2 Wochen betragen, gehen auch mir die Argumente aus. Diese Menschen haben dann frühestens in acht Wochen einen vollen Impfschutz.»

Ludwig Reil wies darauf hin, dass viele Hausärzte die Corona-Impfung nicht mehr durchführen. «Es bleibt also die lange Wartezeit auf einen Termin oder man stellt sich während der Arbeitszeit stundenlang an. Wir sind der Landkreis mit der höchsten Inzidenz, wir müssen auch am Wochenende Impftermine bieten.»

Was wir erleben, ist ein Krisenmanagement nach Schema F ergänzt Tobias Hanig. Ein bürokratischer Verwaltungsakt ohne kreative Ansätze um die Akzeptanz für die Impfung und die Mobilisierung eines «Wir Gefühls» zu steigern. «Ein paar Weißwürste, mit Händlmaier und Biontech bitte.» Auch so hätte man Impfkampagnen im Sommer vor Ort machen können.

Für die Ärztin Dr. Cornelia Reichardt steht fest: «Anstatt wie Herr Straubinger jetzt eine Impfpflicht zu fordern, sollte man zunächst die Hausaufgaben machen und Impfwillige nicht auf einen Termin warten lassen.
Eine allgemeine Impfpflicht ist auch bei hohen Inzidenzen verfassungsrechtlich kritisch. Eine Impfpflicht nur für Pflegepersonal wiederum ist nicht geeignet, dem Personalmangel in der Pflege sinnvoll zu begegnen, der ja immerhin schon für die Sperrung von 30% der Intensivbetten verantwortlich ist. Wirklich sinnvoll wäre es hingegen gewesen, endlich die Arbeitsbedingungen in der Pflege zu verbessern – da hat man es lieber beim Klatschen belassen und nimmt jetzt deutlich reduzierte Intensivkapazitäten in Kauf.
Auch bei uns im Landkreis wurde ein diesbezüglicher Antrag erst kürzlich abgelehnt!
Wären weniger Betten gesperrt, müsste auch noch nicht so viel verlegt werden. Das darf bei der ganzen Debatte nicht schon wieder untergehen! Fazit: Lieber Respekt und handfeste Verbesserungen statt Impfpflicht.»

Passauer Neue Presse vom 13.11.2021
Den ganzen Artikel gibt’s hier auf PNPplus

Die Antwort aus dem Landratsamt ließ nicht lange auf sich warten. Per Pressemeldung verkündet der Landrat:

«Wir sind fassungslos und stinksauer»
Nach der Kritik der Grünen an der Corona-Politik fordert Landrat Michael Fahmüller eine öffentliche Entschuldigung
Pfarrkirchen. In einer Pressemitteilung hatte die Kreistagsfraktion der Grünen die Corona-Politik des Landrats kritisiert. Die Rede war von „Versäumnissen und gravierenden Fehlern“. Nun hat Landrat Fahmüller in einer Pressemitteilung Stellung zu den Vorwürfen genommen. „Ich bin fassungslos“, sagt Landrat Michael Fahmüller. „Es ist eine Sache, mich als Politiker zu kritisieren – aber dafür die beinahe übermenschliche, geleistete Arbeit meiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter während der Corona-Krise zu diskreditieren, das geht mehr als einen Schritt zu weit, und ich sage es ganz deutlich…

Passauer Neue Presse vom 18.11.2021
Den ganzen Artikel gibt’s hier auf PNPplus

Oder direkt auf der Seite des Presseseite des Landratsamtes.

So geht die Geschichte weiter…

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